Die Geißbockversteigerung 2004
In den Städten Lambrecht und Deidesheim in der Pfalz gibt es einen Brauch, der seit Jahrhunderten gepflegt wird (erste urkundliche Erwähnung 1404). Als Ausgleich dafür, dass die Lambrechter ihr Vieh im Deidesheimer Wald weiden durften (und immer noch dürfen – wenn sie denn noch Vieh hätten!), müssen die Lambrechter jedes Jahr an Pfingsten einen Geißbock nach Deidesheim liefern.
Früher wurden die gelieferten Geißböcke zur Zucht eingesetzt, in der heutigen Zeit dienen sie nur noch zu Dekorationszwecken und fristen ansonsten ein eher beschauliches Dasein.
So sind die Bestimmungen
Es gibt eine ganze Reihe von Bestimmungen rund um den Bock: er muss vor allem „gut gehörnt und gut gebeutelt“ sein, damit er zur Zucht taugt. Der Bock wird immer vom „jüngsten Lambrechter Bürger am Dienstag nach der hochheiligen Pfingst“ nach Deidesheim geführt und muss „bis zum Sonnenaufgang“ am Deidesheimer Rathaus festgebunden werden. Hat das Stadtgericht den Bock für tauglich befunden, wird er zugunsten des Deidesheimer Stadtsäckels öffentlich versteigert.
Und wer ist der „jüngste Bürger“?
Da die Bürgerrechte in Lambrecht früher mit der Heirat vergeben wurden, wird der Bock in heutiger Zeit von dem Brautpaar geführt, das in Lambrecht als letztes vor Pfingsten geheiratet hat. Im Jahr 2004 waren das Tanja (geb.Jakob) und Stefan Weis. (Die Namensgleichheit ist nicht zufällig – Stefan ist mein kleiner Bruder!)
Der Geißbockmarsch
Ein weiteres modernes Zugeständnis liegt darin, dass der Bock erst um 10:00 Uhr morgens an der Deidesheimer Stadtgrenze sein muss. (Da allerdings über 15 Kilometer Fußweg zwischen Lambrecht und Deidesheim liegen, muss das Brautpaar trotzdem schon um 5:30 Uhr loswandern, um rechtzeitig mit dem Bock in Deidesheim zu sein!)
Die Ankunft in Deidesheim
An der Deidesheimer Stadtgrenze wird die Wandergruppe von der Deidesheimer Obrigkeit in Empfang genommen. Der Bock wird kurz begutachtet und es wird festgestellt, ob die Lieferung pünktlich erfolgt ist. Erst dann darf die Lambrechter Abordnung die Stadtgrenze überschreiten und mit dem Bock zum Marktplatz weitergehen.
Erste Verhandlung
Auf einer Bühne vor dem Deidesheimer Rathaus findet die öffentliche Verhandlung des Deidesheimer Stadtgerichts statt. Der zuständige Viehmeister prüft durch Handanlegen, ob „Gehörn und Gebräuchlichkeit“ des Geißbocks auch wirklich in Ordnung und anständig ausgeprägt sind. Die dem Brauch zugrundeliegenden Urkunden werden verlesen und bestätigt.
Die Entlohnung
Als Belohnung für das Überbringen des Geißbocks erhält das Brautpaar ein Käsebrot und zwei Maß Wein, um die Strapazen des Marsches etwas auszugleichen. Das Recht auf diese Verköstigung ist ebenfalls urkundlich verbrieft.
Zweite Verhandlung
Nach einer längeren Mittagspause wird am frühen Nachmittag ein buntes Programm geboten (Trachtentanz, Küferschlag, Fass-Schlüpfen usw.), bis das hohe Stadtgericht ein zweites Mal tagt. Diesmal werden die Weiderechte für das kommende Jahr verhandelt, und auch die Vertreter anderer angrenzender Gemeinden kommen zu ihrem Recht.
Das Ende vom Lied
Die Versteigerung des Geißbocks ist ein überregional bekanntes Ereignis. Sie beginnt immer punkt 17:45 Uhr und endet mit dem Glockenschlag um 18:00 Uhr. Dabei werden erstaunliche Summen erzielt, in diesem Jahr waren es 3.100 Euro! Der Zuschlag ging an die „Kurpfälzer Landpartie“, eine Vereinigung von Pfälzer Köchen.